Kommentar von Eva

Dann gab es noch diese Eva in unseren Kursen, die immer so interessiert aus der Wäsche kuckte. Mittlerweile ist aus der kleinen Eva B. eine Universitätsabsolventin und Mutter von vier Kindern geworden und sie hat einen Kommentar geschrieben. Den Beitrag habe ich vor kurzem erhalten. Der Text ist etwas dick aufgetragen, zugegeben, aber man merkt auch nach dieser langen Zeit, wie lustig die Fahrten unseres Skiclubs für die jungen Teilnehmer waren. Uns Betreuern war das gar nicht so bewusst. Ich war also nicht nur ein eigenständiger Skifahrer sondern habe auch Kurse betreut, um die Zeit in den Alpen ein wenig zu verlängern.

Der Internet Blog „Gummihund“ ist eine Seite  zum Thema Buckelpiste. Geschrieben von einem ehemaligen Buckelpistenfahrer. Ehemalig, weil er keine Buckelpisten mehr findet – der technische Fortschritt hat diese Pistenform anscheinend verdrängt.

Die Seite erzählt von den Techniken des Buckelpistenfahrens und beschreibt das damalige Lebensgefühl mit Hilfe satirisch anmutender Anekdoten.

Offensichtlich erlebte der Autor die Zeit seiner Jugend, in der er mit seinen Weggefährten die Buckelpisten erkundete – als dermaßen intensiv und anregend, dass seine Gedanken noch Jahre später um das Thema kreisten. Gefesselt von der Thematik, hat er jedes Detail immer und immer wieder reflektiert. Es wurde ihm zum Bedürfnis, seine Gedanken schriftlich zu fassen. Die Worte sprudelten heraus und mussten nur niedergeschrieben werden. Dabei schien es ihm weniger wichtig, dass Außenstehende den Blog lesen- oder gar kommentieren würden. Und erst recht sollte kein Lehrbuch über die Technik des Buckelpistenfahrens daraus werden. (Technik Lehrbücher wurden bereits von anderen geschrieben und nicht gelesen – siehe z.B. „Ski Mental“ von Wolf Hellwig und Ulrich Fischer, erschienen 1976).

Entstanden ist ein Werk, welches ein gewisses Lebensgefühl widerspiegelt und kleine Ausflüge in die Gedankenwelt eines tiefsinnigen, philosophieaffinen, geistreichen und intelligenten Übriggebliebenen des 1966er Geburtenjahrgangs unternimmt. Der Autor gibt einen Einblick in sein Seelenleben, ohne auch nur das geringste über sich selbst zu offenbaren. Er zeigt keinerlei Eitelkeit und verzichtet auf selbstdarstellerisches Gehabe in Form von Videos oder eigener Geschichten.

Lediglich der Vergleich von sich selbst mit dem Schönheitsideal der 90er Jahre, personifiziert durch einen „Baywatch“ – Star lässt Rückschlüsse auf seine Selbstwahrnehmung zu.

Die sprachliche Präzision der Texte reicht zwar nicht an die Sprachkunst eines Peter Handkes heran, doch diesen Anspruch sollte sie auch nicht erheben – Ziel ist doch die authentische Wiedergabe von gelebten Erfahrungen. Dies gelingt durch eine fast kindlich naiv wirkende Art der Erzählweise mit einer humoristischen Form der Selbstironie. Der Leser wird behutsam abgeholt, ohne überfordert zu sein. Durch gelegentliche Einwürfe in andere Bereiche des Lebens offenbart sich der eigentliche Tiefgang des Geschriebenen. Der Leser wird so zum Querdenken angeregt. Ein stilistisches Hilfsmittel das seinesgleichen sucht. Mitteilungsbedürftige Philosophen der Gegenwart werden bei einer Konfrontation mit dem Text vielleicht sogar schlucken müssen und aus innerer Sorge heraus nervöse Bewegungen machen.

Beim Lesen der Seiten stellt sich dem Leser die Frage, was wohl heute aus den damaligen Gummihunden geworden ist. Gibt es denn wirklich keine Weiterentwicklung der Buckelpistenidee, keinen Aufbruch mehr in neue Zeiten? Macht es Sinn, auf ein Revival der Buckelpiste zu hoffen, oder sollte man sich nicht lieber anderen Themen zuwenden? Statt den planierten oder weggeschmolzenen Buckelpiste nachzutrauern, könnte man doch z. B. aktiv werden und sich eigene Buckelpisten erschaffen.

Da ich selbst als Jungteenie- Mädchen das Privileg haben durfte, ein paar Buckelpistenfahrer live zu erleben kann ich die Euphorie und Faszination doch nachempfinden.

Damals – wie auch heute noch – gab es in unserer Kleinstadt eine Jugend- Skifreizeit nach Obertauern, an der ich im Alter von 12 bis 15 Jahren jährlich teilnahm. Dort lernte ich Skifahren und noch einiges mehr. Obertauern war immer etwas Besonderes und Legendäres. Auf diese Skifreizeit freuten wir uns das ganze Jahr. Geleitet wurde die Freizeit von ein paar Übungsleitern, die selbst noch grün hinter den Ohren waren. Das Schicksal einer Truppe von etwa 60 pubertierenden Kindern wurde von unserem Skiclub in die Hand von ein paar Gummihunden gelegt, deren Gedanken primär darum kreisten, wie sie selbst im Verlaufe der Woche in den Genuss von spektakulären Abfahrten kommen konnten.

Diese Jungs wurden dann unsere Lehrer. Was sollte dabei nur rauskommen …

Schon beim Einsteigen in den Bus auf dem Parkplatz gab es bei den Teilnehmern ein vorherrschendes Thema, über das alle redeten. Den “Gamsleiten II“, die große Buckelpiste von Obertauern, den Klassiker an sich.

An jedem Morgen des Aufenthalts dann die entscheidende Frage: „ist er, der Gamsleiten II, heute offen oder gesperrt?“ Es gab immer wieder Wetterbedingungen, Nebel, Wolken und Stürme, die dafür sorgten, dass der nicht ungefährliche Lift geschlossen bleiben musste. Natürlich steckte auch mich die Faszination des Hanges an. Etwa bei meiner dritten Teilnahme an der Freizeit in Obertauern durfte ich diese Buckelpiste herunter fahren. Ich konnte zwar mittlerweile ein wenig Skifahren – aber definitiv noch keine Buckelpisten. Jeder Buckel erschien mir 2 Meter hoch und ich kämpfte mich auf meinen langen Skiern Buckel für Buckel herunter. Mit viel Glück schaffte ich etwa 3 Exemplare am Stück, aber ich kam trotz der Mühen immer unten an und das machte mich ordentlich stolz.

Und manchmal flogen sie vorbei – die Gummihunde. Ein Traum, ihnen zuzusehen. Elegant, eins mit sich, der Welt und ihrem Körper. Es schien so, als wäre ihnen die Umwelt egal. Aber ich gehe davon aus, dass sie die bewunderten Blicke von uns Mädels doch wahrnahmen – insgeheim und ohne sich dabei ertappen zu lassen.

Es kam selten vor, dass ein echter Gummihund auftauchte. Aber wenn wir einen sahen, war er das Thema der nachfolgenden Stunden bis in den Abend hinein.

Mein Fazit: Für mich war der Blog „Buckelpistenfahren.de“ interessant und kurzweilig zu lesen. Überraschend war für mich der philosophische Teil, der zwischen den Zeilen eine enorme Tiefe offenbart. In mir hat es etwas berührt, ein Zurückerinnern in eine längst vergangene Zeit. Eine Zeit, in der die Ideen im Kopf nur so gesprudelt haben, in der ich mit meinen Weggefährten die ganze Welt verändern wollte und in der ich diese Energie hatte – diese unbändige, sorglose Jugendfreude. Und in der ich so voller Leidenschaft von einem Thema besessen war, dass nichts anderes mehr zählte.

Und ich vermisse sie heute diese Gummihunde, die Abenteurer und Querdenker. Es ereignet sich ja immer seltener, dass man einem von Ihnen begegnet. Gerade darum hat mich dieser Blog gefreut.

Die Leidenschaft des Autors und die Identifikation mit seinem Thema sind faszinierend und können möglicherweise sogar eine Ideenquelle für andere werden. Für die Zukunft wünsche ich mir weitere Blogbeiträge und ihm, dem Autor, dass er das Vergangene wiederfindet, alle autistischen Züge ablegt und seine Gedanken teilt mit uns, mit Euch und mit der Außenwelt.

Ich werde den Blog weiterempfehlen, wenn mir irgendwo mal ein Mensch über den Weg läuft, dem ich zutraue, ihn zu lesen.

Eure Eva